Andacht zur Jahreslosung 2003 von Dr. Jobst Ebel. GB 01/2003.
Liebe Gemeinde,
in der Christuskirche wird Gott dargestellt in der Kuppel als ein Auge in einem Dreieck. Das Auge schaut aus der Kuppel zentral herab in die Gemeinde.
Wahrscheinlich ist es von jedem Platz aus sichtbar. Jedes Gemeindeglied soll wissen, Gott schaut hin. Das kann bedrohlich wirken, wenn ich meine, ihm gegenüber etwas verstecken zu müssen, als ob ich das könnte.
lm Zusammenhang mit der Jahreslosung wächst dann die Bedrohung noch. Nicht einmal das, was ich in meinem Herzen verberge an Gedanken und Gefühlen, ist vor ihm sicher. Läßt mir Gott keinen Winkel? Das zu sagen ist nicht die Absicht dieses Wortes.
Der Vers stammt aus einer Geschichte des Alten Testamentes. Sie erzählt davon wie Gott Samuel beauftragt, einen neuen König zu suchen und den zu salben. Er weiß von Gott, er soll zu dem Bethlehemiter lsai (Jesse) gehen.
Einer von dessen Söhnen soll es sein. Als er bei lsai ankommt, erscheinen seine sieben Söhne, große und starke Männer von imponierender Gestalt. Samuel meint, einer von denen müßte es eigentlich sein. Nur von Gott hört er nichts dazu.
Daraufhin fragt er lsai: Sind das alle deine Söhne. Ja, sagt der, im Grunde schon, nur der Jüngste ist nicht dabei. Der ist draußen auf der Weide bei den Schafen. Hol ihn auch her, fordert Samuel. Und dann kommt da ein richtig nett aussehender braungebrannter Junge. Er hat alles an sich, was Sympathien wecken kann, nur nichts majestätisches königliches. ln diesem Zusammenhang gibt Gott dem Samuel die Jahreslosung als Wegweiser: Ein Mensch sieht, was vor Augen ist, der Herr aber sieht das Herz an.
Der Junge ist David. Dessen Herz hat Gott angesehen und ihn vorgezogen vor seinen stattlichen Brüdern. Das heißt natürlich auch, dass Gott sich nicht blenden läßt von dem, was imponierend wirkt: Größe, Kraft, Aura von Macht.
Aber, wenn Gott unser Herz ansieht, dann geht es ihm nicht um neugierige Kontrolle, ob da auch alles in Ordnung ist. Eher geht es darum, zu sehen wie viel Steuerungskraft unser Herz im Leben hat. Was sieht Gott in Davids Herz?
1. sieht er einen Menschen, der seinen geistesgestörten König, der von Ängsten getrieben ist, trösten kann mit Harfenmusik. David überläßt ihn nicht seiner selbstzerstörerischen Panik, er versucht ihn im Gleichgewicht zu halten. Obwohl Konkurrent, von Saul mit Mord bedroht, macht er ihn nicht nieder, als er ihn in der Hand hat. Er sucht eine beispielhafte Freundschaft mit seinem Sohn Jonathan.
2. findet Gott in Davids Herz Mut, der sich nicht einschüchtern läßt von einem brüllenden, prahlenden Riesen Goliat, sondern mit Einfallsreichtum und eigener, unerwarteter Stärke gegen ihn antritt und gewinnt. Als kluger König, der seinem Land Wohlstand und Größe gibt, wird er von seinem Volk nie vergessen. Gott findet in seinem Herzen mit Sicherheit auch Abgründe und Böses, aber entscheidend ist, er läßt es sich sagen‘ von seinem Propheten Nathan und sucht auch in Leid und Niederlage den Frieden mit Gott.
Viele uns wichtige Psalmen werden ihm zugeschrieben.
So entsteht 3. in seinem Herzen in der Atmosphäre von Sehnsucht und Selbstbescheidung das Bild eines anderen, eines Davidsohns, das Bild des Messias, des Christus, Hoffnung für die ganze Welt. – Gott aber sieht das Herz an. Das muß uns nicht ängstigen. Er guckt in das Herz nicht wie ein Forscher durchs Mikroskop. Sein Blick analysiert nicht, sondern sucht, stärkt und baut aus, was Saint Exupery sagt: „Man sieht nur mit dem Herzen richtig“. Er guckt, wie der Engel auf dem Bild. Ein Mensch hockt da in Angst, Sorge und Depression, vielleicht weil der Name Gottes falsch herum im Himmel geschrieben ist. Verkehrte Welt.
Doch der Engel sieht weiter. Das verdrehte Gottesbild irritiert ihn nicht. Er sieht Grund zu hoffen, hat Grund zu lachen. Denn unser Schrecken ist wie Christi Kreuz nur der äußere Teil, den unser Auge wahrnimmt. Durch den Engel, durch Gottes Boten, bekommen wir mitgeteilt, was unserem Herzen guttut, seine Liebe,die immer wieder zu neuem Leben weckt.
So wünsche ich Ihnen für das neue Jahr was der David im Herzen trug: Mut, Liebe, die Freunde gewinnt und ein Bild Jesu Christi, das trotz Schuld Halt gibt gegen Angst und Schrecken.
Gottes Blick mag lhr Herz gestalten und zur Leben gestaltenden Kraft machen. Er mag wie der Engel auf dem Bild mit seinem Blick Licht und Wärme in lhr Leben bringen. Amen.
Jobst Ebel
Der Text ist über 15 Jahre alt, aber immer noch Aktuell. Ich hoffe er gefällt.