Im Gottesdienst zum Reformationstag lasen Martin und Maret aus Dietrich Bonhoeffers "Widerstand und Ergebung", unter anderem Vers 3 des Gedichts, das in Bonhoeffers Brief vom 19. Dezember 1944 an seine Verlobte steht (drei Monate vor seiner Ermordung):
Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern
des Leids gefüllt bis an den Rand,
so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern
aus deiner guten und geliebten Hand.
Was Bonhoeffer da schreibt, ist mir völlig unbegreiflich. Den "Kelch" annehmen ist wohl unvermeidlich, aber "dankbar"? Das Gedicht steht jetzt in evangelischen Gesangbuch. Aber wer kann das ehrlich mitsingen, "...so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern..."? Wer versteht das?
Ich kann jetzt nur sagen, dass mir dazu die Gedanken von Dag Hammarskjöld einfallen, der sehr ähnlich in seinem Büchlein "Zeichen am Weg" geschrieben hat. Es scheint bei beiden einen Raum des Erlebens?, Empfindens?, Denkens? zu geben, der sozusagen die gegebene Realität durchstößt und sich einen ganz anderen Raum eröffnet.
In einer Biographie sprechen seine Verlobte und Eberhard Bethge miteinander. Auch sie sinnen darüber nach, wie jemand alles so dankbar gegenüber Gott ertragen konnte. Bethge fällt ein, dass Bonhoeffer mal etwas gesagt hatte, was er Bethge nicht gleich verstand. "Ich bin wie Sisyphos. Verurteilt, den gleichen Stein unentwegt einen Berg hinaufzuschieben, bis in alle Ewigkeit. Das ist mein Schicksal." Maria antwortet: Nur auf dem Weg, den er gegangen ist, konnte Dietrich der Bonhoeffer werden. Und ich glaube fast, ihm selbst war das immer bewusst " Maria kommt dann auf Camus, der in Sisyphos das Urbild des Menschen sieht und in seinem Schicksal ein Sinnzeichen für die Absurdität allen menschlichen Daseins. Auf Bonhoeffer bezogen glaubt Maria dass eventuell Bonhoeffer das auch so gesehen hätte. " Ohne seinen Glauben wäre ihm dieses Dasein sicher absurd erschienen - am Ende gar der Glaube selbst." Maria fährt weiter fort" Camus meint auch, kein anderer Mensch sei je so glücklich gewesen wie Sisyphos." Und was ist mit Bonhoeffer? "Dietrich glücklich. Der Glücklichste von uns allen. Vielleicht"
Vielleicht hilft es, wenn man das Buch liest: Ich bin Bonhoeffer von Paul Barz
auch ich war gestern in dem sehr beeindruckenden Gottesdienst. Mir sind nicht nur die Texte nahe gegangen sondern auch die Musik. Mit Bonhoeffer habe ich mich immer wieder beschäftigt. Natürlich hatte auch er Angst vor dem, was auf ihn zukam. Aber er muss ein solches Vertrauen in Gott gehabt haben, dass Angst keine Rolle mehr spielte. Mit seine Gebeten und Gedichten wollte er meiner Meinung nach auch die Familie, Freunde und andere Gefangene zu Gott hinführen und ihnen die Sorgen nehmen. Für mich ist es kaum zu begreifen, dass er in der Situation auch noch versucht, anderen ein Stück seines Vertrauens zu geben.
Ich kann es nur in sofern verstehen, dass Bonhoeffer einen ganz tiefes Vertrauen hatte, dass alles was geschieht irgendwie auch richtig ist weil es sonst nicht geschehen würde. Ich könnte dies in so einer Situation allerdings bestimmt nicht sagen